Wofür unsere Straßen gemacht sind und warum das einer Verkehrswende entgegen läuft

Wofür unsere Straßen gemacht sind und warum das einer Verkehrswende entgegen läuft

Aktuell ist es heiß. Sehr heiß. Es ist August. Es ist Sommer. Die Temperaturen klettern jeden Tag auf über 30°C im Schatten. Gibt es keinen Schatten, sondern nur Sonne und Beton, dann wird es noch um einiges heißer. Lufttemperaturen um die 40°C sind in windstillen Ecken und an breiten Straßen Hannovers keine Seltenheit.

Die Fössestraße in Linden ist so eine Heißzone. Hier gibt es neben der Hitze vor allem eines: viel Platz für Autos. Auf dem Fahrrad oder zu Fuß ist man hier nicht nur in der Minderheit, man ist eindeutig ein Fremdkörper im Straßenbild. In einer Stadt. In einem Wohnkiez. Komisch oder?

 

Straßen für Menschen, nicht für Autos

Die Fahrbahn auf der Fössestraße ist breit, sehr breit. An beiden Seiten parken am Fahrbahnrand durchgehend Autos. Dazwischen rauscht der Verkehr auf überbreiten mehrspurigen Streifen in beiden Richtungen. Es ist laut. Es gibt keinen Schatten. Keine Bänke. Kurz: keine Rücksicht auf menschliche Bedürfnisse. Dabei sind nahezu alle Häuser entlang der Fössestraße und in den angrenzenden Nebenstraßen Wohnhäuser. Und wo Wohnhäuser sind, da leben Menschen, gehen zur Arbeit, zum Ein- kaufen, möchten sich Treffen, möchten draußen sein. Vor allem, an so heißen Sommer- tagen, wie wir sie gerade erleben. Die Fössestraße eignet sich für nichts von alledem. Sie eignet sich nur zur schnellen Durchfahrt – mit einem Auto.

Die wenigen Menschen bemühen sich schnell in Häuser und ins Kühle zu kommen. Einzig am Kiosk an der Kreuzung zum Köthnerholzweg finden sich einige Menschen. Das sind die Entschlossenen, die dem Aufruf der Grünen Stadtteilgruppe Linden-Limmer gefolgt sind. Sie werden auf den Zustand an dieser Straße hinweisen und für Veränderung eintreten. HannovAIR Connection ist ebenfalls dabei, ist unsere Sicht auf Heißzone wie die Fössestraße doch identisch.

Städte heizen sich stärker auf als das Umland

Die Grünen haben volle Gießkannen dabei. Die Presse ist ebenfalls vor Ort. Man klärt kurz den Ablauf, dann wird sich aufgestellt. Die Fußgängerampel an der Kreu- zung wird grün und es geht los. Die Teilnehmenden strömen auf die Kreuzung, blei- ben in einer Reihe stehen und gießen das Wasser quer über die Kreuzung. Die Presse schießt Fotos, die Ampel wird rot. Abgang von der Kreuzung. Die Autos fahren wieder.

Die Teilnehmenden gießen Wasser auf den heißen Asphalt.

Das ganze wird noch einmal wiederholt. Dann ist die Presse mit den entstandenen Bildern zufrieden. Und während die Grünen erste Fragen der Presse beantworten, fährt im Hintergrund der Verkehr wieder. Das ausgegossene Wasser verdunstet auf dem heißen Asphalt vor unseren Augen. Nach nicht einmal 10 Minuten ist die Aktion zu Ende, alle Teilnehmenden gegangen und die Straße wieder trocken. Das ist heiß!

In Zukunft werden wir solch heiße Tage noch öfter und noch zahlreicher erleben müssen als bisher. Die Forschung geht davon aus, dass mit dem Klimawandel nicht nur unsere Sommer heißer werden. Auch unsere Städte werden heißer. Dabei heizen sich die vielen versiegelten Bodenflächen und nackten Häuserfassaden stärker auf, als dünn besiedelte Gegenden mit viel Natur zwischen der Bebauung.

Cool-Down statt Hitzeinseln

Klimaforscher haben herausgefunden dass diese bebauungsbedingte Erwärmung bis zu 11°C betragen kann. Wenn es also im Umland sommerliche 25°C hat, kann es am Kröpcke schon bis zu 36°C heiß sein.

Hitzewellen für sich sind schon ein großes Risiko für Ältere und Kinder. Schätzungen zufolge starben alleine im Hitzesommer 2003 etwa 7.600 Menschen in Deutschland an Überhitzung. In den Sommern 2006 und 2015 waren es jeweils 6.100 Todesfälle.

Was Hannover braucht, ist ein Cool-Down Konzept für große Plätze und breite Schneisen, denn wir können natürlich nicht alle Flächen wieder aufreißen und entsiegeln. Aber wir können an breiten Straßen Fahrspuren zurück bauen um Platz für Bäume und Schatten zu schaffen. Wir können an großen Gebäuden mit Kletterpflanzen für Fassadenbegrünung sorgen. Pflanzen absorbieren die Wärme und geben dabei gespeichertes Wasser in die Umgebungsluft ab. Beton hingegen reflektiert oder speichert die Wärme.

Auf großen Plätzen wie dem Kröpcke könnten Bernebelungssysteme installiert werden die zerstäubtes Wasser in die Luft entlassen. Der Wasserverbrauch ist dabei minimal, aber der Kühleffekt enorm – ohne nass zu werden.

Was bleibt für die Fössestraße?

In Heißzeiten werden vierspurige Asphaltschneisen zu gefährlichen Zonen, in denen sich niemand mehr aufhalten kann. „Ein inakzeptabler Zustand für eine Straße, die mitten durch Lindens Herz führt“, fanden die Teilnehmenden der Grünen. Hinzu kommt der Standpunkt der Stadtverwaltung, dass die Fössestraße für „eine untergeordnete Verkehrsfunktion” nicht geeignet ist, da „die Anlagen überdimensioniert” seien. Im Klartext: Die Straße ist viel breiter als es der Autoverkehr benötigt, deswegen kann sie nicht verengt werden. Auf solche verquere Argumentationen können auch nur deutsche Behörden kommen.

Die Aktion der Grünen hat nicht nur gezeigt, wie heiß es an Straßen mittlerweile wird. Sie legt auch offen, wie weit die Verkehrs- und Stadtplanung in Hannover von den realen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger entfernt ist. Eine lebenswerte Stadt sieht anders aus.

PL 19.08.2020