Verbrennt mehr Öl!

Verbrennt mehr Öl!

Möchtegern-Experten um den Ökonomen Hans-Werner Sinn zünden mit einem Artikel im Ifo-Schnelldienst eine weitere Nebelkerze. Der Artikel prangert den Umschwung zur Elektromobilität an und versucht die deutsche Automobilindustrie gegen politische Vorgaben der Europäischen Union zu verteidigen.

Bei aller berechtigter Kritik und den offenen Fragen mit Blick auf Elektromobilität: Der Aufsatz ist ein ebenso plumper wie dilettantischer Versuch den so notwendigen Wandel in der Automobilindustrie und die Herbeiführung der Verkehrswende mit allen Mitteln zu sabotieren.

Scheinbar haben sich die Autoren gedacht: Was der selbsternannte Lungenexperte Dieter Köhler kann, können wir schon lange: eine aufgeladene gesellschaftliche Debatte ohne große Studie und mit ausgewiesen mangelnder eigener Expertise weiter mit Fehlinformationen zu befeuern.

Während es Dieter Köhler bei einem zweiseitigen Positionspapier belassen hat, präsentieren die drei Autoren des Artikels – der Physiker Christoph Buchal sowie die Ifo-Ökonomen Hans-Dieter Karl und Hans-Werner Sinn – ganze zwölf Seiten, die im hauseigenen Ifo-Schnelldienst als „Forschungsergebnisse“ durchgehen.

Um den abzusehenden Vorbehalten vorzubeugen, erklären die Autoren explizit, keine „kommerzielle Beziehung“ zur Energie- oder Automobilwirtschaft zu haben. Mit Blick auf die Finanziers des Ifo-Instituts in München ist dies jedoch kritisch zu hinterfragen: „Wenn man sich anschaut wie das IfO-Institut finanziert ist, dann scheint die Studie perfekt zu den Intentionen der Geldgeber des Instituts zu passen […].“ [1]

Zu den finanziellen Stützen des Instituts gehört neben dem Bund, und dem Freistaat Bayern als öffentliche Auftraggeber, auch ein Förderkreis aus Verbänden und Unternehmen, dem unter anderem der Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und der Aufsichtsratsvorsitzende der Continental AG und Linde AG angehören. [2]

Und in der Tat erreicht der Aufsatz vor allem eins: indem die positive CO₂-Bilanz von Elektroautos angezweifelt und als ebenso hoch wie die von Dieselfahrzeugen bewertet wird, kann der Diesel abermals als zu unrecht abgestrafte Technologie von gestern rehabilitiert werden.

„Der CO2-Ausstoß der batterieelektrischen Autos liegt beim heutigen Energiemix Deutschlands und unter Berücksichtigung des Energieaufwands bei der Batterieproduktion nur im günstigsten Fall auf einem mit dem Dieselmotor vergleichbaren Wert.“ [3]

 

Die Autoren plädieren jedoch keinesfalls für einen Wandel in der deutschen Energiewirtschaft hin zu mehr erneuerbaren Energieträgern. Im Gegenteil, sie sind sich nicht zu schade, große gesellschaftliche Ängste zu schüren: Die Elektromobilität führe zu steigenden Stromkosten für private Verbraucher und habe unabsehbaren Folgen für energieintensive Industriezweige heißt es im Aufsatz. Das Schreckensszenario:

„Widerstände der Verbraucher und/oder Steuerzahler sind vorprogrammiert.“ [4]

 

Welchem deutschen Unternehmensmanager läuft es beim Lesen dieser Zeilen mit Blick auf die Gelbwestenproteste in Frankreich nicht kalt den Rücken herunter?

Die als „Forschungsergebnisse“ präsentierten Ansichten zeugen zudem von fehlender Expertise bzw. mangelndem Aufklärungswillen. So verwenden die Autoren für ihren Vergleich zwischen Dieselauto und Elektrofahrzeug mit leichter Hand die Verbrauchsangaben des Herstellers, nämlich unrealistische 4,5 Litern für den Mercedes 220d. Im Realbetrieb, dies zeigen mehrere Tests, sind es rund 2 Liter mehr. [5]

Um die Schadstoffvorgaben der EU zu erfüllen, rechnen die Autoren vor, dürften Diesel und Benzinmotoren zukünftig lediglich 2,2 Liter bzw. 2,6 Liter pro 100 km verbrauchen. Dies erklären die Nicht-Ingenieure leichthin für „ingeniertechnisch unrealistisch.“ Man bedenke: Das erste 3-Liter Auto (den Lupo) brachte VW bereits im Juli 1999 auf den Markt – vor sage und schreibe 20 Jahren. [6] Möglich machte das nicht nur der Einsatz von Leichtbauweise, sondern auch eine (damals) herausragende Technik. [7] Wo wir heute stünden, wäre den Automobilherstellern ein niedriger Verbrauch wichtig gewesen, statt die Autos immer größer und schwerer zu machen, kann man sich also gut ausrechnen.

Die Autoren nehmen darüber hinaus ganz offen eine ‚patriotische Position‘ ein und geißeln die verschärften Richtlinien der EU über den zukünftig einzuhaltenden CO2-Flotteverbrauch als einen direkten Angriff auf die deutsche Automobilindustrie. Die neuen Grenzwertfestlegungen durch die EU Kommision werden von den Marktapologeten dabei gleichsam als „Manipulation“ bezeichnet. [8]

Dahinter vermuten die Autoren nicht weniger als ein Komplott: Die strengen Grenzwerte, so behauptet der Artikel, hätten Länder wie Norwegen und Frankreich vorangetrieben. Frankreich, deren Automobilindustrie sich angeblich auf Elektromobilität spezialisiert hat, ereifern sich die Autoren, hätte „sich in Brüssel mit den Grünen verbündet.“ [9]

Das Ergebnis beklagen die Autoren in recht drastischen Worten:

„Dabei wird nun freilich der deutschen Automobilindustrie mit ihren eher großvolumigen Fahrzeugen die Luft abgeschnürt.“ [10]

 

Eine recht makabere Formulierung, bedenkt man die jahrelangen Abgasmanipulationen und die tausenden Krankheits- und vorzeitigen Todesfälle durch Luftbelastungen. Zudem, wer hat denn bitte die deutschen Automobilhersteller dazu gezwungen, zur Gewinnmaximierung auf großvoluminge Modelle zu setzen, anstatt den technologischen Wandel voranzutreiben?

Eine solche Sichtweise ist vom unternehmensfreundlichen Standpunkt der Autoren allerdings völlig fremd. Der in der Gesellschaft immer stärker vorgebrachte Wunsch nach zukunftfähiger Mobilität, nach nachhaltigem Wirtschaften (und damit dem Ausstieg aus follisen Brennstoffen) wird nicht als gesellschaftlicher Auftrag, sondern als „politisches Dekret“ abgekanzelt. [10]

Wer nach all dem noch immer unsicher ist, wes Geistes Kind die Autoren sind, sollte übrigens das dem Artikel angehängte „Post Scriptum“ lesen. Dort wird jeglicher europäischer Initiative zum Klimaschutz quasi im Handstreich die Nützlichkeit abgesprochen. Jegliche Einsparungen an Öl, so die Autoren, seien sogar hinderlich: Sollte Europa zukünftig weniger Öl importieren, „wer­den die Tanker einfach nur anderswo anlanden.“ Und noch schlimmer: Durch die sinkende Nachfrage und die damit verbundenen sinkenden Ölpreise, werde der Konsum in anderen Ländern sogar „subventioniert und stimu­liert.“ [11]

Das dürfen wir nun wirklich nicht zulassen, möchte man meinen. Besser wir verbrennen weiterhin selbst alles Öl, bevor es noch andere – und noch dazu zu günstigen Konditionen – tun!

AK, 22.04.2019

Verweise:

[1] https://verbrennerkiller.de/?p=178

[2] http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/CESifo-Group/ifo/ifo-Freunde/Friends-of-the-Ifo-Institute—Members-of-the-Executive-Board-and-the-Board-of-Trustees.html

[3] Buchal, Christoph, Hans-Dieter Karl und Hans-Werner Sinn, „Kohlemotoren, Windmotoren und Dieselmotoren: Was zeigt die CO2-Bilanz?“, ifo Schnelldienst 72 (08), 2019, S. 13. Online: http://www.cesifo-group.de/de/ifoHome/presse/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen-Archiv/2019/Q2/pm_20190417_sd08-Elektroautos.html

[4] Ibid., S. 13.

[5] https://www.autozeitung.de/mercedes-e-klasse-200-220-d-136056.html ; https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Mercedes-C-220d-4329494.html

[6] In Tests war sogar ein Minimalwert von 2,7 Litern möglich: https://www.auto-motor-und-sport.de/test/vw-lupo-3-l-tdi/

[7] https://www.autobild.de/artikel/gebrauchte-spritsparer-teil-1-842290.html

[8] Buchal, Karl & Sinn: „Kohlemotoren…“ a.a.O., S. 14.

[9] Ibid., S. 14.

[10] Ibid., S. 14.

[11] Ibid., S. 15.