13 Mai Saubere Luft und mehr Mobilität für Hannover
Auf Antrag der Fraktion DIE FRAKTION fand am Montag den 7. Mai im Rathaus der Stadt Hannover eine Anhörung zum Thema „Saubere Luft und mehr Mobilität für Hannover“ statt. Von den siebzehn Sachverständigen, die auf Vorschlag aller Fraktionen eingeladen wurden, haben sieben zugesagt, in der gemeinsamen Sitzung den Fragen der Politiker*innen des Umwelt- und Bauausschusses Rede und Antwort zum Thema Luftreinhaltung zu stehen. Die Anhörung hat ziemlich eindrücklich klargemacht, dass die Wissenschaft in Sachen Luftverschmutzung, Feinstaub und NOx deutlich weiter ist als die Politik. Viele Forderungen der bundesweiten Verkehrsexperten (Fahrverbote für dreckige Diesel, weniger Autos in der Innenstadt, City-Maut) und der lokalen Akteure (weniger Fahrstreifen am Leibnizufer, Nulltariflösungen für die ÜSTRA) wurden aufgegriffen und für sinnvoll erachtet. Das einhellige Urteil der Experten: Die Politik muss endlich aus der Defensive kommen und umsetzen, was wissenschaftlich schon lange Konsens ist.
Die zentralen Aussagen der Angehörten sind hier einmal zusammengefasst. Sie erheben selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit:
Prof. Axel Haverich (Transplantationschirurg, MHH):
- Luftverschmutzung stellt massive gesundheitliche Gefährdungen dar, insbesondere für Schwangere und Kinder.
- Die Verbreitung unzähliger Volkskrankheiten korreliert mit der Luftqualität.
- Es braucht eine bessere Förderpolitik zu wissenschaftlicher Arbeit über Feinstaubbelastungen und gesundheitliche Folgen.
Arne Käthner (HannovAIR Connection):
- Die Behauptung nur NOx, nicht jedoch Feinstaub sei in Hannover ein Problem, ist falsch. Die von der WHO empfohlenen Grenzwerte werden weiterhin systematisch überschritten.
- Es braucht eine umfassende Verkehrswende in der Stadt.
- Bsp.: Einführung der CityMaut könnte, wie in anderen Städten, helfen den Verkehr zu reduzieren.
- Der Rückbau von Straßen und Fahrstreifen führt nicht zwangsläufig zu mehr Staus. Eher kann man vom Gegenteil ausgehen.
Dr. Axel Friedrich (ehemaliger Abteilungsleiter im Umweltbundesamt):
- Das Problem der Luftverschmutzung ist seit Jahrzehnten bekannt, nicht erst seit der Verschärfung der EU-Grenzwerte.
- Der aktuelle Aktionismus scheint durch die Angst vor Fahrverboten befeuert. „Fahrverbote scheinen wichtiger zu sein als das Thema Gesundheit“
- Alles was von der Stadt bisher vorgelegt wurde, ist quasi unwirksam.
Prof. Hans Schweisfurth (Lungenfacharzt):
- 2015 starben 41.500 Menschen in Deutschland an den Folgen von Belastung der Luft durch Feinstaub und Kohlenmonoxidverbindungen.
- Verbreitung von Allergien und Asthma wird durch Feinstaub verstärkt.
- Schon eine geringe Zunahme der Luftverschmutzung sorgt für eine exponentielle Zunahme der Gesundheitsrisiken.
- Dieselfahrzeuge sind der Hauptverursacher für NOx (73%).
- Weltweit übersteigt die Zahl der jährlichen Todesfälle durch Luftverschmutzung die Zahl der Toten durch Tuberkulose, AIDS/HIV und Verkehrsunfälle zusammen.
- In Deutschland übersteigt die Zahl der Todesfälle die bei Unfällen um das zehnfache.
Prof. Wolfgang Haller (Gesellschafter SHP Ingenieure GbR):
- „Es gibt (bei Luftverschmutzung) weniger ein Erkenntnis- als ein Vollzugsdefizit.“
- Neben neuer Technologie muss ein neues Mobilitätsverhalten/ ein Umdenken her.
- Die Preise für den ÖPNV müssen runter, die Nutzung attraktiver, der Takt besser werden.
Oliver Bayer (Vorsitzender einer Enquetekommission zu ÖPNV im Landtag NRW):
- Die Argumente gegen Modelle der Fahrscheinfreiheit (Überlastung, etc…) sind meist leicht zu widerlegen.
- Flüssiger Autoverkehr steht im zwingenden Konflikt mit einer Fußgänger*innen- und Radfahrer*innenfreundlichen Stadt. Das ist nicht auflösbar ohne Abstriche für mindestens einen Verkehrsträger.
- Für einen attraktiven ÖPNV müssen Einstiegshürden abgebaut und Netze ausgebaut werden.
- Die ÜSTRA muss ein multimodaler Mobilitätsdienstleister werden.
- Kosten für den Autoverkehr in kommunalen Haushalten sind nicht ermittelbar und werden deshalb häufig überschätzt.
Dr. Winfried Wolf (Politikwissenschaftler):
- Elektromobilität ist nicht die eine Lösung und ist nur ein kleines Rädchen innerhalb der Verkehrswende.
- Gesammelte Maßnahmen für Verkehrswende: Straßen zurückbauen, lebenswerte statt autofreundliche Stadt, ÖPNV massiv ausbauen, Nulltariflösungen für die ÜSTRA prüfen
- Die Ziele für die Verteilung der Verkehrsmittelnutzung der Stadt (übrigens auch der Grünen) sind völlig unterambitioniert.
- Fahrradverkehr kann auch auf 45 % gebracht werden (Bsp.: Kopenhagen, gleich große Stadt mit ähnlichen Bedingungen).
Autoverkehr am besten auf unter 10 %.
Prof. Becker (TU Dresden, Verkehrsökologie):
Die Stellungnahme von Herrn Becker wurde schriftlich an die Mitglieder des Ausschusses verschickt.
- Zeit der Maßnahmen, die niemanden wehtun, muss vorbei sein.
- Durch Staubeseitigung wird die Verkehrsmenge sogar noch erhöht.
12.05.2018, Bela Mittelstädt